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Die Cellularpathologie in ihrer BegrГјndung auf physiologische und pathologische Gewebelehre

Rudolf Virchow

Rudolf Virchow

Die Cellularpathologie / in ihrer BegrГјndung auf physiologische und pathologische Gewebelehre

Vorrede zur ersten Auflage

Die Vorlesungen, welche ich hiermit dem weiteren ärztlichen Publikum vorlege, wurden im Anfange dieses Jahres vor einem grösseren Kreise von Collegen, zumeist praktischen Aerzten Berlin's, in dem neuen pathologischen Institute der Universität gehalten. Sie verfolgten hauptsächlich den Zweck, im Anschlusse an eine möglichst ausgedehnte Reihe von mikroskopischen Demonstrationen eine zusammenhängende Erläuterung derjenigen Erfahrungen zu geben, auf welchen gegenwärtig nach meiner Auffassung die biologische Doctrin zu begründen und aus welchen auch die pathologische Theorie zu gestalten ist. Sie sollten insbesondere in einer mehr geordneten Weise, als dies bisher geschehen war, eine Anschauung von der cellularen Natur aller Lebensvorgänge, der physiologischen und pathologischen, der thierischen und pflanzlichen zu liefern versuchen, um gegenüber den einseitigen humoralen und neuristischen (solidaren) Neigungen, welche sich aus den Mythen des Alterthums bis in unsere Zeit fortgepflanzt haben, die Einheit des Lebens in allem Organischen wieder dem Bewusstsein näher zu bringen, und zugleich den ebenso einseitigen Deutungen einer grob mechanischen und chemischen Richtung die feinere Mechanik und Chemie der Zelle entgegen zu halten.

Bei den grossen Fortschritten des Einzelwissens ist es für die Mehrzahl der praktischen Aerzte immer schwieriger geworden, sich dasjenige Maass der eigenen Anschauung zu gewinnen, welches allein eine gewisse Sicherheit des Urtheils verbürgt. Täglich entschwindet die Möglichkeit nicht bloss einer Prüfung, sondern selbst eines Verständnisses der neueren Schriften denjenigen mehr, welche in den oft so mühseligen und erschöpfenden Wegen der Praxis ihre beste Kraft verbrauchen müssen. Denn selbst die Sprache der Medicin nimmt nach und nach ein anderes Aussehen an. Bekannte Vorgänge, welche das herrschende System seinem Gedankenkreise an einem bestimmten Orte eingereiht hatte, wechseln mit der Auflösung des Systems die Stellung und die Bezeichnung. Indem eine gewisse Thätigkeit von dem Nerven, dem Blute oder dem Gefässe auf das Gewebe verlegt, ein passiver Vorgang als ein activer, ein Exsudat als eine Wucherung erkannt wird, ist auch die Sprache genöthigt, andere Ausdrücke für diese Thätigkeiten, Vorgänge und Erzeugnisse zu wählen, und je vollkommener die Kenntniss des feineren Geschehens der Lebensvorgänge wird, um so mehr müssen sich auch die neueren Bezeichnungen an diese feineren Grundlagen der Erkenntniss anschliessen.

Nicht leicht kann Jemand mit mehr Schonung des Ueberlieferten die nothwendige Reform der Anschauungen durchzuführen versuchen, als ich es mir zur Aufgabe gestellt habe. Allein die eigene Erfahrung hat mich gelehrt, dass es hier eine gewisse Grenze gibt. Zu grosse Schonung ist ein wirklicher Fehler, denn sie begünstigt die Verwirrung: ein neuer, zweckmässig gewählter Ausdruck macht dem allgemeinen Verständnisse etwas sofort zugänglich, was ohne ihn jahrelange Bemühungen höchstens für Einzelne aufzuklären vermochten. Ich erinnere an die parenchymatöse Entzündung, an Thrombose und Embolie, an Leukämie und Ichorrhämie, an osteoides und Schleimgewebe, an käsige und amyloide Metamorphose, an die Substitution der Gewebe. Neue Namen sind nicht zu vermeiden, wo es sich um thatsächliche Bereicherungen des erfahrungsmässigen Wissens handelt.

Auf der anderen Seite hat man es mir schon Г¶fters zum Vorwurfe gemacht, dass ich die moderne Anschauung auf veraltete Standpunkte zurГјckzuschrauben bemГјht sei. Hier kann ich wohl mit gutem Gewissen sagen, dass ich eben so wenig die Tendenz habe, den Galen oder den Paracelsus zu rehabilitiren, als ich mich davor scheue, das, was in ihren Anschauungen und Erfahrungen wahr ist, offen anzuerkennen. In der That finde ich nicht bloss, dass im Alterthum und im Mittela