Немецкий с любовью. Новеллы / Novellen
Стефан Цвейг
Е. Д. Перфилова
Легко читаем по-немецки
В книгу вошли три новеллы известного немецкого писателя Стефана Цвейга: «Письмо незнакомки», «Амок» и «Шахматная новелла».
Драматические судьбы героев, любовь на грани жизни и смерти, глубокие душевные депрессии, мастерски описываемые автором, делают его новеллы сегодня особенно актуальными. Произведения подверглись незначительному упрощению, что позволило сохранить как сюжетную линию, так и живой немецкий язык.
Предназначается для изучающих немецкий язык (уровень 4 – для продолжающих верхней ступени).
Стефан Цвейг. Новеллы / Stefan Zweig. Novellen
Адаптация текста, составление комментариев и словаря Е. Д. Перфиловой
© Перфилова Е. Д., адаптация текста, комментарии, словарь
© ООО «Издательство АСТ»
Brief einer Unbekannten
Als der bekannte Romanschriftsteller R. fr?hmorgens von dreit?gigem erfrischendem Ausflug ins Gebirge wieder nach Wien zur?ckkehrte und am Bahnhof eine Zeitung kaufte, wurde er, kaum dass er das Datum ?berflog, erinnernd gewahr, dass heute sein Geburtstag sei. Der einundvierzigste, besann er sich rasch, und diese Feststellung tat ihm nicht wohl und nicht weh. Fl?chtig[1 - fl?chtig – беглый] ?berbl?tterte er die Seiten der Zeitung und fuhr mit einem Mietautomobil in seine Wohnung. Der Diener meldete aus der Zeit seiner Abwesenheit zwei Besuche sowie einige Telefonanrufe und ?berbrachte auf einem Tablett die angesammelte Post. L?ssig[2 - l?ssig – небрежный] sah er den Einlauf an, riss ein paar Kuverts auf, die ihn durch ihre Absender interessierten; einen Brief, der fremde Schriftz?ge trug, schob er zun?chst beiseite. Dann z?ndete er sich eine Zigarre an und griff nun nach dem zur?ckgelegten Brief.
Es waren etwa zwei Dutzend geschriebene Seiten in fremder, unruhiger Frauenschrift. Unwillk?rlich betastete er noch einmal das Kuvert, ob nicht darin ein Begleitschreiben[3 - Begleitschreiben, n – сопроводительная записка] vergessen geblieben w?re. Aber der Umschlag war leer.
Seltsam, dachte er, und nahm das Schreiben wieder zur Hand. „Dir, der Du mich nie gekannt“, stand oben als Anruf, als ?berschrift. Verwundert hielt er inne: galt das ihm, galt das einem ertr?umten[4 - ertr?umten – воображать] Menschen? Seine Neugier war pl?tzlich wach[5 - Seine Neugier war pl?tzlich wach – внезапно у него проснулось любопытство]. Und er begann den Brief zu lesen.
Mein Kind ist gestern gestorben – drei Tage und drei N?chte habe ich mit dem Tode um dies kleine Leben gerungen, vierzig Stunden bin ich an seinem Bette gesessen. Ich habe K?hles um seine Stirn getan, ich habe seine unruhigen, kleinen H?nde gehalten Tag und Nacht. Am dritten Abend bin ich zusammengebrochen[6 - zusammenbrechen – обессилить]. Meine Augen konnten nicht mehr, sie fielen zu, ohne dass ich es wusste. Drei Stunden oder vier war ich auf dem harten Sessel eingeschlafen, und indes hat der Tod ihn genommen. Nun liegt er dort, der s??e arme Knabe, in seinem schmalen Kinderbett, ganz so wie er starb. Nur die Augen sind geschlossen, seine klugen, dunkeln Augen. Ich wage nicht hinzusehen, ich wage nicht mich zu r?hren, denn wenn die Kerzen flackern, huschen Schatten ?ber sein Gesicht und den verschlossenen Mund, und es ist dann so, als regten sich seine Z?ge, und ich k?nnte meinen, er sei nicht tot. Aber ich wei? es, er ist tot, ich will nicht hinsehen mehr, um nicht noch einmal zu hoffen und entt?uscht zu sein. Ich wei? es, ich wei? es, mein Kind ist gestern gestorben – jetzt habe ich nur Dich mehr auf der Welt, nur Dich, der Du von mir nichts wei?t. Nur Dich, der Du mich nie gekannt und den ich immer geliebt habe.
Ich habe die f?nfte Kerze genommen und hier zu dem Tisch gestellt, auf dem ich an Dich schreibe. Denn ich kann nicht allein sein mit meinem toten Kind und zu wem sollte ich sprechen in dieser entsetzlichen Stunde, wenn nicht zu Dir, der Du mir alles warst und alles bist! Vielleicht kann ich nicht ganz deutlich zu Dir sprechen, vielleicht verstehst Du mich nicht – mein Kopf ist ja ganz du