Schach von Wuthenow
Theodor Fontane
Theodor Fontane
Schach von Wuthenow / Erzählung aus der Zeit des Regiments Gensdarmes
Erstes Kapitel.
Im Salon der Frau von Carayon
In dem Salon der in der Behrenstraße wohnenden Frau von Carayon und ihrer Tochter Victoire waren an ihrem gewöhnlichen Empfangsabend einige Freunde versammelt, aber freilich wenige nur, da die große Hitze des Tages auch die treuesten Anhänger des Zirkels ins Freie gelockt hatte. Von den Offizieren des Regiments Gensdarmes, die selten an einem dieser Abende fehlten, war nur einer erschienen, ein Herr von Alvensleben, und hatte neben der schönen Frau vom Hause Platz genommen unter gleichzeitigem scherzhaftem Bedauern darüber, daß gerade der fehle, dem dieser Platz in Wahrheit gebühre.
Beiden gegenüber, an der der Mitte des Zimmers zugekehrten Tischseite, saßen zwei Herren in Civil, die, seit wenig Wochen erst heimisch in diesem Kreise, sich nichtsdestoweniger bereits eine dominirende Stellung innerhalb desselben errungen hatten. Am entschiedensten der um einige Jahre jüngere von beiden, ein ehemaliger Stabskapitän, der, nach einem abenteuernden Leben in England und den Unionsstaaten in die Heimat zurückgekehrt, allgemein als das Haupt jener militärischen Frondeurs angesehen wurde, die damals die politische Meinung der Hauptstadt machten, beziehungsweise terrorisirten. Sein Name war von Bülow. Nonchalance gehörte mit zur Genialität, und so focht er denn, beide Füße weit vorgestreckt und die linke Hand in der Hosentasche, mit seiner Rechten in der Luft umher, um durch lebhafte Gestikulationen seinem Kathedervortrage Nachdruck zu geben. Er konnte, wie seine Freunde sagten, nur sprechen um Vortrag zu halten, und – er sprach eigentlich immer. Der starke Herr neben ihm war der Verleger seiner Schriften, Herr Daniel Sander, im Uebrigen aber sein vollkommener Widerpart, wenigstens in allem was Erscheinung anging. Ein schwarzer Vollbart umrahmte sein Gesicht, das ebensoviel Behagen wie Sarkasmus ausdrückte, während ihm der in der Taille knapp anschließende Rock von niederländischem Tuche sein Embonpoint zusammenschnürte. Was den Gegensatz vollendete, war die feinste weiße Wäsche, worin Bülow keineswegs excellirte.
Das Gespräch, das eben geführt wurde, schien sich um die kurz vorher beendete Haugwitzsche Mission zu drehen, die, nach Bülows Ansicht, nicht nur ein wünschenswerthes Einvernehmen zwischen Preußen und Frankreich wieder hergestellt, sondern uns auch den Besitz von Hannover noch als »Morgengabe« mit eingetragen habe. Frau von Carayon aber bemängelte diese »Morgengabe«, weil man nicht gut geben oder verschenken könne, was man nicht habe, bei welchem Worte die bis dahin unbemerkt am Theetisch beschäftigt gewesene Tochter Victoire der Mutter einen zärtlichen Blick zuwarf, während Alvensleben der schönen Frau die Hand küßte.
»Ihrer Zustimmung, lieber Alvensleben,« nahm Frau von Carayon das Wort, »war ich sicher. Aber sehen Sie, wie minos- und rhadamantusartig unser Freund Bülow dasitzt. Er brütet mal wieder Sturm, Victoire, reiche Herrn von Bülow von den Karlsbader Oblaten. Es ist, glaub' ich, das Einzige, was er von Oesterreich gelten läßt. Inzwischen unterhält uns Herr Sander von unsern Fortschritten in der neuen Provinz. Ich fürchte nur, daß sie nicht groß sind.«
»Oder sagen wir lieber, gar nicht existiren,« erwiderte Sander. »Alles was zum welfischen Löwen oder zum springenden Roß hält, will sich nicht preußisch regieren lassen. Und ich verdenk es Keinem. Für die Polen reichten wir allenfalls aus. Aber die Hannoveraner sind feine Leute.«
»Ja, das sind sie,« bestätigte Frau von Carayon, während sie gleich danach hinzufügte: »Vielleicht auch etwas hochmüthig.«
»Etwas!« lachte Bülow. »O, meine Gnädigste, wer doch allzeit einer ähnlichen Milde begegnete. Glauben Sie mir, ich kenne die Hannoveraner seit lange, hab ihnen in meiner Altmärker-Eigenschaft so zu sagen von Jugend auf über den Zaun gekuckt, und darf Ihnen danach versichern, daß alles das, was mir England so