Nach Amerika! Ein Volksbuch. Sechster Band
Friedrich Gerstäcker
Friedrich Gerstäcker
Nach Amerika! Ein Volksbuch. Sechster Band
Capitel 1.
Ein Sheriffsverkauf in Arkansas
Ein volles Jahr war nach den, im letzten Capitel beschriebenen Vorfällen verflossen; die heiße Sonne Amerikas hatte wiederum den Mais und Waizen gereift, und die Früchte und Beeren des Waldes mit süßem Saft gefüllt; durch die blaue sonnenreine Luft zog der weiße wehende Spinnenfaden seine stille Bahn, und legte sich einem duftigen Schleier gleich über die Wipfel des grünen Waldesdoms, in dessen Schatten die feisten Hirsche zu Rudeln zusammenstanden, und die jungen Truthühner in die Zweige hinauf flatterten, die ersten jungen Weinbeeren zu versuchen, die sich mit ihren Reben dort empor gerankt.
Und wie das raschelte und rauschte im stillen Wald, wie sich das blitzende Sonnenlicht in den fallenden Tropfen spiegelte, die ein wohlthätiger Nachtregen über das grüne Laubmeer ausgegossen, und die jetzt leise klopfend auf die gelbe, noch vorjährige Blattdecke des Bodens niederschlugen. Und die Grille zirpte ihr regelmäßig melancholisch Lied, das wie das leise Schnarren einer in zeitrechten Schwingungen gehenden Uhr von allen Seiten tönte, nur manchmal durch den gellenden Schrei eines aufstiebenden Falken gestört, dem der blaue Heher im Busch spöttisch den Warnungsruf nachäffte.
Wie das summte und schwirrte um Lianenblüthen und frisch aufkeimende Waldesblumen, von Bienen und Käfern, zwischen denen hin hie und da, wie ein verirrter Sonnenstrahl, ein blitzender gold und grün schimmernder Kolibri gedankenschnell fast herüber und hinüber surrte, über einem duftenden honigschweren Kelch einen Moment mit unsichtbaren, schattengleich fibrirenden Schwingen stand, und dann verschwunden war, daß ihm das Auge nicht folgen konnte, bis ihn sein Summen an dem nächsten Blüthenbusch verrieth.
Wie die Natur in wundervoller Harmonie, besonders in der Jahreszeit, den ganzen Wald mit ihrer Pracht durchwirkt, und ineinandergreifend Jedes sich die Hände reicht zum schönen Ganzen; wie selbst der morsche umgestürzte Baum, von wilden blühenden Ranken umzogen, zum Bilde hier gehört und nicht fehlen dürfte; ja wär' ein einziger Zweig gebrochen von den tausenden, die überall dem Licht, der Luft die grünen Arme entgegenstrecken, die Lücke würde fühlbar, und der fallende Tropfen selbst schmückt das Blatt das er verließ mit höherem Glanz, und wird zur Perle wo er niederfällt.
Und doch ein Miston in der Harmonie – ein dunkler Fleck der da nicht hingehörte, der sich nicht wohl da fühlte und das Ganze störte – ein nasses, schmutziges, verdrießlich unzufriedenes Menschenbild, mitten im Wald, im freien schönen wundervollen Wald – Zachäus Maulbeere, vom Regen durchnäßt, kalt, hungrig, verirrt, festgefahren mit seinem Karren in einem Gewirr von Reben und Wurzeln, und in einer Laune, Milch nur durch bloßes Ansehn zu säuern.
»Ein Gottvermaladeites Land das,« lästerte er, sich erschöpft auf einen umgefallenen Baum setzend und sein Taschentuch, das er in der Hand hielt, zusammenrollend und ausringend, »daß mich der Teufel plagen mußte nach diesem Gottvergessenen Staat zu gehn – Bäume – Bäume – Nichts als Bäume in der Welt – gerade in die Höh und gerade über den Weg. – Schönes Vergnügen das, wo man sich erst sein Schnupftuch ausringen muß, daß man sich damit abtrocknen kann – schwabben nannten sie's auf dem Schiff. Und jetzt sitz ich hier – keine Ahnung wo bin – keine Idee von einer Richtung – ein Scheerenschleifer im Wald – Maulbeere, Esel, was hast Du hier im Busch zu suchen, heh? – war Dir zu wohl draußen zwischen den Ansiedlungen im Osten, zwischen dem Waizenbrod und Honig, eh? – mußtest geschwind machen daß Du hierher kamst, zwischen Maisbrod und Speck, oder gar die Nacht in den Wald hinein – Schöne Nacht die ich da verlebt habe, beim heiligen Sebastian – oben in dem verdammten Baum eingeklemmt gesessen, daß ich die Glieder nicht mehr rühren kann, und das Beest was da um mic