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Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Zweiter Band.

Friedrich Gerstäcker

Friedrich Gerstäcker

Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Zweiter Band

1

KГјnstler

Director Sarno hatte in diesen Tagen so außerordentlich viel zu thun gehabt, daß er sich mit seinem Gaste gar nicht oder doch nur sehr wenig beschäftigen konnte. Alles drängte auf ihn ein – Alles wollte von ihm Hülfe, Rath, Lebensmittel, Colonien, Ackergeräthe und tausend andere Dinge, die er unmöglich Jedem schaffen konnte, und doch that er was in seinen Kräften stand, um vor allen Dingen wenigstens die Familien unterzubringen.

Schwartzau war indessen sehr fleißig gewesen und hatte einen ziemlich bedeutenden Landstrich vermessen, auf dem ein großer Theil der erstgekommenen Colonisten untergebracht werden konnte. Aber das half immer noch nicht für den ersten Augenblick, wenn sich jetzt auch wenigstens ein Ende absehen ließ. Die neuen Colonisten mußten damit beginnen, in den ihnen bezeichneten Gränzen einen Fleck »klar« zu machen, um ihr Wohnhaus darauf zu setzen, blieben aber in der Zeit, bis das geschehen, noch immer auf ihr Nachtquartier in der Colonie angewiesen, wobei ihnen das Hin- und Herwandern noch sehr viel Zeit fortnahm.

Die meisten der Emigranten bedurften dabei für ihren nächsten Lebensunterhalt der ihnen versprochenen Subsidiengelder, d. h. einer Unterstützung, die ihnen der Staat gab und die sie nur verpflichtet waren, nach einem Zeitraume von fünf Jahren zinsfrei zurückzuzahlen. Aber was kümmerten sich die Leute jetzt um das, was man ihnen etwa nach fünf Jahren wieder abverlangen könne! Ihnen gehörte nur der Augenblick, und was sie deshalb an solchen Unterstützungen aus dem Director herauspressen konnten, hielten sie Alles für rein gewonnen und geschenkt, wie sie es ebenfalls dem Director zur Last legten, wenn er so viel als möglich mit den Geldern zurückhielt. Er gönnte es ihnen nur nicht, meinten sie, und wolle es vielleicht gar für sich behalten. Daß er sie selber davon zurückzuhalten wünschte, zu viele Schulden zu machen, fiel ihnen gar nicht ein.

Director Sarno hatte den Kopf in der That zum Zerspringen voll, und Könnern, der mit seinen eigenen Hoffnungen und Plänen ebenfalls reichlich beschäftigt war, ging ihm schon so viel als möglich selber aus dem Wege. Als er aber gefunden, daß mit der Jagd in der Nachbarschaft wenig oder gar Nichts zu machen war, hatte er seine Mappe wieder vorgenommen, und vor allen Dingen einen passenden Platz an den nächsten Hängen gesucht, von wo er einen Überblick über die Colonie bekam.

Daß er dabei Meier's kleine, freundliche Plantage besonders im Auge hatte, mochte er sich im Anfange selber nicht recht gestehen, aber es ließ sich auch nicht lange mehr sogar vor sich selber verläugnen, denn um den Platz her suchte er den ganzen Wald ab, nur um einen Punkt zu finden, von wo er einen Überblick in das Thal gewann, und war endlich glücklich genug, einen vorspringenden Felsen an einem der Bergabhänge aufzufinden, von dem aus er Meier's Besitzthum gerade überschaute, während weiter zur Linken die Colonie Santa Clara mit ihren lichten Gebäuden und rothen Dächern, mit den gelben, schmalen Wegen und dunkeln Fruchtbaum- und Gebüschgruppen ein ganz freundliches und auch wirklich malerisches Bild zeigte.

Allerdings waren ihm hier noch ein paar Palmen und Baumwipfel im Wege, welche zum Theil die ungestörte freie Aussicht verdeckten, aber auch das ließ sich mit geringer Arbeit beseitigen. Selber im Gebrauche der Axt tüchtig eingeübt, stieg er am nächsten Morgen wieder mit einem solchen Werkzeuge zu seinem Waldes-Atelier hinauf, markirte sich die im Weg stehenden Stämme und ging dann scharf an die Arbeit, um sich freie Bahn zu schaffen. Noch vor Dunkelwerden war das auch geschehen und die kleine Felsplatte da oben jetzt so weit freigelegt, daß er am nächsten Morgen seine Arbeit, von keinem Hindernisse mehr gestört, beginnen konnte.

Etwa um zehn Uhr Morgens stieg er, seine Mappe auf dem RГјcken, seinen Stock in der Hand und ein kleines Beil im GГјrte