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Tahiti: Roman aus der SГјdsee. Dritter Band.

Friedrich Gerstäcker

Friedrich Gerstäcker

Tahiti: Roman aus der SГјdsee. Dritter Band

Capitel 1.

Alte Erinnerungen und neue Schmerzen

Ueber die See strich der Morgenwind leise und feucht, kräuselte die Wogen, die spielend, neckend nach ihm auflangten, und glitt dann rasch zwischen die Palmen am Ufer und in den fruchtschweren Wald, in dem er rauschte und flüsterte und Thau und Blüthen niederschüttelte aus dem blitzenden Laub. Bleigrau lag noch das Meer, und nur dunkle Schatten flogen über seine Fläche, wo der Wind sie faßte, herüber und hinüber drängend und oft im raschen Zug darüber hinstreichend. Nur am Himmel kündete der lichte Streif den nahenden Morgen, und sandte seine zuckenden Strahlen weit aus über den noch sternfunkelnden Himmelsdom, vor denen die Kinder der Nacht erblichen und scheu und furchtsam zurückwichen, dem Sonnengott Raum zu geben.

Und heran kam der, auf schnaubenden Rossen, wie vom Sturm getragen, und nicht langsam und zögernd, wie bei uns im kalten Nord – dem ersten Angriff folgend mit starker mächtiger Hand, scheuchte er die Nacht vor sich her, und seinem ersten dämmernden Nahen folgte auch schon der Siegeszug, mit dem er den flüchtigen Feind zu Paaren trieb.

Dunkel und blau lag das Meer, als der erste zündende Strahl darüber zuckte und die kleinen Wellen neugierig die Köpfe hoben, zuerst dem nahenden Gott in's Auge zu schauen; und ein blinkendes Netz warf er über sie aus, Gold und Purpur strahlend, und wie von einem Zauberstab berührt, glühte plötzlich das weite wogende Meer, jede Welle den blauen schlanken Nacken mit Diamanten überstreut und von Gold- und Silberadern dicht und leuchtend durchzogen. Und die Berge strahlten den Widerglanz zurück, die thaubedeckten Palmenkronen warfen den silbernen Regen nieder in Thal und Schlucht, und wie aufathmend in unendlicher Wonne und Seligkeit, strömte der Duft aus von all den Blüthenhainen, die tief versteckt im dunklen Laube ruhten, den Seewind rückwärts treibend, mit sanfter liebender Gewalt.

Ueber die Berge aber schaute der Sonnengott freundlich in's Thal, und grüßte die friedlichen Dächer alle, die tief versteckt im schattigen Laub lagen und ihn fürchteten den Gewaltigen. Nicht täuschte sie dabei der leise Kuß den er ihnen zuwarf wie er nur den Hain erreicht; – höher steigend und wachsend an Macht und Gewalt wäre der Kuß zum giftigen sengenden Pfeil geworden, der zündet was er erreicht und dorrt und brennt, und die Palmen hatten dann alle Hände voll zu thun, und mit allen Fasern den kühlen Lebenssaft aus dem feuchten Strand heraufziehen, das ihnen anvertraute Gut, die Wohnungen der stillen Menschen vor dem glühenden Strahl zu schützen und zu schirmen.

Und wie freundlich er da unten auf dem gelben Laub spielte, das hie und da den Boden bedeckte, wie er sich durch jede Zweigesspalte durchstahl und den saftigen Blättern schmeichelte und mit ihnen kos'te, ihn nur durchzulassen, ein kleines kleines wenig nur durchzulassen zu den Blüthen und Früchten unten, denen er Zucker bringen wollte und ein goldenes Kleid, und dann wunderliche Figuren mit ihren Schatten formte, und ihnen Zeichen und Bilder in die Haut grub zum Angedenken.

Welch freundliches Leben und Treiben in dem herrlichen Wald, und daß die Axt da kommen sollte mit gierigem Zahn, und die Palmen niederschlagen und Bäume, Felder zu bilden mit langen geraden Reihen, viereckige, eingezäunte Felder, dem Sonnenstrahl preisgegeben, der dann nicht spielend mehr zwischen den Zweigen kost, sondern verlangend sich an den Boden saugt und ihn hart und trocken zieht in gieriger Lust.

Aber fort mit dem traurigen Bild; noch rauschen die Bäume, noch flüstert der Morgenwind, der flatterhafte Geselle, den Blüthen allen seinen tollen Liebesunsinn vor, und unter dem Laub, die schönste Zierde des Hains, der Blumen eine die das Land gebar und die zu ihnen gehörte, zu den schlanken Palmen und duftenden Blüthen saß Sadie, und wie an den wehenden, raschelnden, wispernden Blättern der Banane, die ihre grünen