Unter Palmen und Buchen. Erster Band.
Friedrich Gerstäcker
Friedrich Gerstäcker
Unter Palmen und Buchen. Erster Band. / Unter Buchen. Gesammelte Erzählungen
Eine alltägliche Geschichte
Es war auf einem Balle in der Erholung, daß Dr. Kuno Brethammer Fräulein Bertha Wollmer kennen lernte – oder vielmehr zum ersten Male sah, und sich sterblich in sie verliebte.
Bertha Wollmer trug ein einfaches weißes Kleid, einen sehr hübschen Kornblumenkranz im blonden Haar und sah wirklich allerliebst aus. Aber es bleibt immer ein gefährlich Ding, wenn sich ein Mann eine Hausfrau auf einem Balle sucht. Der Ballsaal sollte der letzte Ort dazu sein, denn dort ist Alles in Licht gehüllt, und er wird geblendet und berauscht, wo er gerade Augen und Verstand nüchtern und besonnen auf dem rechten Fleck haben müßte.
Diesmal hatte aber Dr. Brethammer seine Wahl nicht zu bereuen, denn Bertha Wollmer war nicht allein ein sehr hübsches Mädchen, das sich mit Geschmack zu kleiden wußte, sondern auch außerdem wacker und brav, ein wirklich edler Charakter und eine, wie sich später herausstellte, vortreffliche Wirtschafterin. – Der Doctor hätte auf der Welt keine bessere Lebensgefährtin finden können.
Gegen ihn selber ließ sich eben so wenig einwenden. Er war etwa 34 Jahre alt, Advocat mit einer recht guten Praxis, hatte also sein Auskommen, galt in der ganzen Stadt für einen braven, rechtschaffenen Mann, schuldete keinem Menschen einen Pfennig und als er, vierzehn Tage später, um Bertha Wollmer anhielt, sagte das Mädchen nicht nein, und Vater und Mutter sagten ja, worauf dann noch in der nächsten Woche die Verlobungskarten ausgeschickt wurden. Zwei Monate später fand die Hochzeit statt.
So lebten die beiden Leute viele Jahre glücklich miteinander, und Dr. Brethammer sah mit jedem Tage mehr ein, daß er eine außerordentlich glückliche Wahl getroffen und Gott nicht genug für sein braves Weib danken könne. Er liebte sie auch wirklich recht von Herzen, aber – wie das oft so im Leben geht – das, was sein ganzes Glück hier bildete, wurde ihm – durch Nichts gestört – endlich zur Gewohnheit und er vernachlässigte, was er hätte hegen und pflegen sollen.
Es mag sein, daß seine Liebe zu der Gattin deshalb nie geringer wurde, aber er vernachlässigte auch die Form, die in einem gewissen Grade in allen Lebensverhältnissen nöthig ist: er war oft rauh mit seiner Frau, ja heftig, und wenn er auch dabei nicht die Grenzen überschritt, die jeder gebildete Mensch inne halten wird, that er ihr doch oft – gewiß unabsichtlich – recht wehe. Ja manchmal, wenn ihm ein heftiges Wort entfahren war, hätte er es von Herzen gern widerrufen mögen, aber – das ging leider nicht an, denn – er durfte sich an seiner Autorität nichts vergeben.
Nur zu einer Entschuldigung ließ er sich herbei: »Du weißt, ich bin jähzornig,« sagte er, »wenn's aber auch oft ein Bischen rauh herauskommt, so ist es ja doch nicht so schlimm gemeint und eben so rasch vergessen.«
Ja, das war allerdings der Fall; er hatte es eben so rasch vergessen, aber sie nicht, und wenn sie ihm auch nie ein unfreundlich Gesicht zeigte, wenn sie ihn immer bei sich entschuldigte und sein oft mürrisches Wesen auf die Sorgen und den Aerger schob, den er außer dem Hause gehabt – ein kleiner Stachel blieb von jeder dieser Scenen in ihrem Herzen zurück, so viel Mühe sie sich selber gab, die Erinnerung daran zu bannen; einen kleinen Nebelpunkt ließ jede solche Wolke zurück, die an der Sonne ihres häuslichen Glücks, sei es noch so schnell vorübergezogen, und in einsamen Stunden konnte sie oft recht traurig darüber werden.
Sie hatten zwei Kinder mitsammen, an denen der Vater mit großer und wirklich inniger Liebe hing – und doch, wie wenig gab er sich mit ihnen ab! – Es ist wahr, am Tage war er sehr viel beschäftigt und mußte sich oft gewaltsam die Zeit abringen, um nur zum Mittagsessen zu kommen, aber Abends um sechs Uhr hatte er dafür auch jedes Geschäft abgeschüttelt, und dann wäre ihm allerdings Zeit genug geblieben bei Frau und Ki