Briefe an Ludwig Tieck 3
Various
Various
Briefe an Ludwig Tieck (3/4) / Dritter Band
Molbech, Christian
Geboren 1783 zu Soröe, einer der bedeutsamsten dänischen Philologen, Historiker und Kritiker. Er bereisete in den Jahren 1819 und 1830 sowohl Deutschland, als Frankreich und Italien; wurde schon 1823 Professor der Litteraturgeschichte an der Universität; war von 1831 bis 1842 Dramaturg des Kopenhagener Nationaltheaters.
Sein „Dansk Ordbog,“ 2 Bde., sowie seine „Geschichte der dänischen Sprache“ (1846), haben ihm eine hohe Stelle in der gelehrten Welt gesichert, weil sie ganz neue Bahnen brachen. Vielfache Monographieen aus der dän. Historie, zahlreiche kritische Aufsätze und Anthologieen vaterländischer Poesie geben Zeugniß unausgesetzter Thätigkeit. Daß er ein eben so liebenswerther Charakter ist, wie er für einen achtungswerthen Gelehrten gilt, das lesen wir aus diesen Briefen.
I
В В В В Kopenhagen, 17. October 1820.
Lieber, verehrter Freund!
Ihr freundliches, mir aus unserm Holberg mitgegebenes Geleite hat mich, wie Sie sehen, wirklich nach Seeland gebracht. Schon in 4 Wochen bin ich zurück im heimischen Kreise; und schon oft sind während dieser Zeit meine Gedanken bei Ihnen gewesen, mit dem Wunsche, daß weniger Land und gar kein Wasser uns trennte. Unvergeßlich ist mir Ihre liebreiche, freundliche Güte. Wie gern geselle ich jetzt Ihre persönliche Erinnerung Ihren Worten, Ihren Dichtungen bei, die mir so oft erfreut und ergötzt, so oft ans Herz geredet haben; und wie werden mir diese jetzt doppelt lebend und anschaulich! Ich hatte noch das Vergnügen mit Ihnen, nemlich mit Ihrem Octavianus, von Berlin nach Hamburg zu reisen; und der gute jugendliche Geselle hat mich oft auf der schleichenden Sandfarth und in den elenden Wirthshäusern aufgemuntert und getröstet. Auch den William Lowel habe ich mir aus Berlin mitgebracht. Dies Buch habe ich vor mehreren Jahren einmal auf dem Lande in der Weihnachtszeit gelesen, und es machte damals einen sonderbaren, schauerlichen Eindruck auf mich. Ich konnte es nicht recht lieb gewinnen, obgleich es mich häufig sehr interessirte. Ich werde es jetzt einmal wieder lesen, und Ihnen sagen, wie ich es damals und jetzt fand. – Uebrigens, wenn ich Ihren Octavianus, ein Paar Reisebeschreibungen und ein Paar Bände prosaischer Erzählungen von Ingemann (der, wie ich glaube, Ihnen geschrieben hat) ausnehme, habe ich fast nichts gelesen seit meiner Rückkunft; so viele Arbeiten, Zerstreuungen und Hindernisse haben sich meiner Ruhe und Ordnung entgegengestellt. Es muß doch einmal, hoffe ich, anders werden.
Ein Bruder meines lieben und vertrauten Freundes, Hrn. J. Deichmann, Besitzer der Gyldendalschen Buchhandlung, reist nach Berlin und andern Städten, um seine Fertigkeit und Kenntniße als Buchdrucker zu erweitern. Mit ihm schicke ich dieses nach Berlin, und lasse die Comedie von Heiberg (der noch in Paris ist), und eine durch sie veranlaßte kleine Schrift mitfolgen. Ein kleines Paket mit einem Brief aus Leipzig hoffe ich, daß Sie erhalten haben. Ich hatte es dem Buchhändler Vogel in Leipzig empfohlen.
Es ist meine Absicht gewesen, Ihnen einen Commentarius perpetuus über das Heibergsche Lustspiel zu geben; und Sie werden finden, daß es mancherlei Erläuterungen bedarf. Es ist nemlich äußerst national und local, und spielt ganz in der jetzigen Zeit. – Es gebricht mir aber jetzt ganz und gar an Zeit, um dieses mit einiger Vollständigkeit zu thun. Vieles wird Ihnen auch ohne alle Aufklärung verständlich sein. – Die Blanca von Ingemann kennen Sie doch wohl? Diese, und der Dichter überhaupt, wird scharf, aber lustig mitgenommen. Die Hauptpersonen dieser Tragoedie, Enrico und Blanca, finden Sie hier metamorphosirt und travestirt wieder. Der „Kammerjunker mit einer Harfe“ ist ein gewisser Kammerjunker Lewetzau, der die Blanca deutsch übersetzt hat. Um den Dialog pag. 28–30 zu verstehen, ist es nothwendig zu wissen, daß der Professor Theologiae J. Möller vor einigen Jahren als ästhetischer Recensent in der dänischen Litteraturz