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Goethes Briefe an Leipziger Freunde

Johann Wolfgang von Goethe

Johann Wolfgang von Goethe

Goethes Briefe an Leipziger Freunde

Herrn

Salomon Hirzel

Sie haben, lieber Freund, nicht nur die erste Veranlassung zu diesem Buch gegeben, sondern auch auf Form und Inhalt desselben einen so bestimmenden Einfluß geübt, daß Sie sich es schon gefallen lassen müssen auch Ihren Namen dazu herzugeben. Ich weiß gewiß, daß Niemand mehr Freude an den Reliquien haben wird, die hier das Goethefest zum Vorschein brachte, Niemand aufrichtiger die Dankbarkeit gegen diejenigen mit mir theilen wird, deren Güte die Veröffentlichung derselben gestattete, als Sie. Deshalb werden Sie auch die etwas bunte Mischung des Inhaltes, für welche nicht einmal ein passender Titel zu finden war, mit gewohnter Nachsicht, wie ich hoffe, entschuldigen.

So bringe ich Ihnen das Buch als eine Erinnerung an einige in heiterer Thätigkeit angenehm verlebte Tage und an einen aufrichtigen, treuen Freund.

Leipzig am 18. October 1849.

В В В В Otto Jahn.

Goethes Jugend in Leipzig

Eine Rede

von

Otto Jahn

Gehalten am 28. August 1849 in der akademischen Aula in Leipzig

Beim Anschauen des Olympischen Zeus vergaß der Grieche in stiller Bewunderung Leid und Kummer, gebannt unter den Zauber göttlicher Majestät fand er Frieden und Kraft, und ging mit dem stolzen Gefühl, ein Grieche zu sein, von dannen. Der heutige Tag giebt dem Deutschen ein ähnliches Gefühl. Heute ist es ihm vergönnt, selbst die schwerste Sorge, die Sorge um das Vaterland, den tiefsten Kummer um vereitelte Hoffnungen und Bestrebungen im Andenken an den großen Mann zurückzudrängen, der dem ganzen Vaterlande angehört, um auszusprechen, worin wir alle einig und frei sind, unsere Bewunderung und Verehrung gegen Goethe. Dankbarkeit und Anhänglichkeit auszusprechen, bedarf es keiner besonderen Berechtigung, Goethes Andenken zu feiern ist jeder berufen, der an deutscher Bildung Theil hat; für uns aber ist es eine mahnende Pflicht, das Bild des Dichters, der uns persönlich nahe angehört hat, mit einem Kranze der Erinnerung zu schmücken.

In Leipzig hat Goethe sein Studien begonnen, drei Jahre hindurch hat er unserer Universität angehört, ist hier durch den Verkehr mit Künstlern und Kunstfreunden angeregt und gebildet worden, Freundschaft und Liebe haben ihn hier mannigfach gefesselt, hier hat er die unruhvoll bewegte Zeit der ersten Selbständigkeit durchlebt – wahrlich kein unbedeutender Theil seines Lebens gehört uns an. Wir dürfen ihn selbst zum Zeugen seiner Anhänglichkeit an Leipzig nehmen, dessen Erinnerung ihm stets theuer und bedeutend war. „Wer kein Leipzig gesehen hat,“ schrieb er seinem Freunde Breitkopf nach der Heimkehr in Frankfurt, „der könnte hier recht wohl sein,“ in einer Stadt, „die zu sehr Antithese von Leipzig ist, um viel Annehmlichkeit für ihn zu haben.“ „Sie haben Recht, meine Freundin, daß ich jetzt für das gestraft werde, was ich gegen Leipzig gesündigt habe,“ heißt es in einem anderen Briefe; „mein jetziger Aufenthalt ist so unangenehm als mein Leipziger angenehm hätte sein können, wenn gewissen Leuten gelegen gewesen wäre, mir ihn angenehm zu machen.“ So urtheilte nicht nur der von dem Scheiden aus lieben und gewohnten Verhältnissen schmerzlich ergriffene Jüngling, der „draußen im Reich, in der Frankfurter Hungersnoth des guten Geschmacks“ die feinere, namentlich litterarische Bildung, den freien ungezwungenen Verkehr, besonders mit Frauen, wodurch Leipzig sich auszeichnete, gar sehr vermißte. Als später Goethe von Weimar aus in wiederholten Besuchen seine persönlichen Beziehungen zu Leipzig erneuete, schrieb er (December 1782) an Frau von Stein: „Seit 69, da ich von hier wegging, bin ich nie über ein paar Tage hier gewesen, auch habe ich nur meine alten Bekannten besucht und Leipzig war mir immer so eng wie jene ersten Jahre. Diesmal mache ich mich mit der Stadt auf meine neue Weise bekannt und es ist mir eine neue kleine Welt. – Ich wünschte, mich ein Vierteljahr hier aufhalten zu können, denn es s