Das Lob der Narrheit
Desiderius Erasmus
Desiderius Erasmus
Das Lob der Narrheit
Vorwort
Als ein Kind launiger Muse will Erasmus von Rotterdam seine weltberühmte Schrift Das Lob der Narrheit beurteilt wissen. In dem Widmungsbriefe an den jüngeren, damals (1498) zwanzigjährigen Thomas Morus, späteren Kanzler Heinrichs VIII. von England, dem ihn gemeinsame humanistische Studien verbanden, erzählt der Verfasser, wie ihm die Idee zu dem Buche auf dem Heimritt von Welschland gekommen sei. Es ist kein Grund daran zu zweifeln, daß dieses populärste Werk des deutschen Humanismus mehr oder minder zufällig koncipiert und mit einer Art spielerischen Vergnügens ausgeführt wurde. Erasmus selber hat wohl nie geahnt, daß die geistreiche aber leicht gezimmerte Arbeit, die ihm nichts als ein Ausruhen von ernsten, gelehrten Forschungen bedeutete, seinen internationalen Ruhm für alle Zeiten begründen würde.
Das in eleganter Latinität geschriebene und in alle Kultursprachen übersetzte Werk verdankt seine äußere Anregung dem deutschen „Narrenschiff“ des Sebastian Brant, kommt aber geistig aus viel früherer Zeit her, nämlich aus der freieren Sphäre des attischen Spötters Lukian, von dem es den feineren Witz, die überlegene Ironie und die aller Didaktik fremde, jeglicher Moralisation abholde weltmännische Art hat. Hinter dem tollen Wirrwarr menschlichen Treibens, hinter den Mängeln, Schwächen, Fehlern und Untugenden sieht Erasmus die Thorheit als etwas nur Allzumenschliches an. Sie ist ihm dasjenige geistige Element, das dem Erdendasein überhaupt erst Reiz und Wert verleiht. Das Horazische Dulce est desipere in loco ist hier zu einem Prinzip der Weltanschauung erhoben und wird halb im Ernst, halb im Scherz von einer lächelnden Lebensphilosophie als Vademecum für jeden Erdenpilger gepriesen. Daß der geistreiche und seine Thesen mit unzähligen gelehrten Zitaten erhärtende Autor sich dabei nicht immer konsequent bleibt und mitunter wie z. B. in seiner Polemik gegen Kirche und Theologie aus dem Ton und der Rolle eines Lobredners der Thorheit fällt, darf weiter nicht verwunderlich erscheinen.
Die vorliegende Übersetzung ist mit ausgewählten Holzschnitten nach den Randzeichnungen von Erasmus Freunde Holbein geziert, die der Meister in ein Exemplar der Frobenschen zu Basel aufbewahrten Ausgabe eingetragen hat.
В В В В Der Herausgeber
Lobrede, welche die Narrheit sich selbst hält
Was die Sterblichen auch immer von mir schwatzen mögen (ich weiß es, meine Herren, ich weiß es, in welchem bösen Rufe die Narrheit auch bey den gröbsten Narren steht) so bin doch ich es, ich, wie Sie mich hier vor sich stehen sehen, durch deren übermenschliche Kraft den Herzen der Götter und der Menschen die muntersten Freuden eingeflößt werden. Wollen Sie hierüber einen Beweis? Hier ist ein überzeugender:
Kaum war ich aufgetreten, um in dieser zahlreichen Versammlung eine Rede zu halten, so ward plötzlich jedes Antlitz mit einem neuen und ungewöhnlichen Schimmer der Fröhlichkeit übergoldet; plötzlich entfaltete sich jede Stirn; im hellsten liebenswürdigsten Lächeln wird mir von allen Orten der holdeste Beyfall zugewinkt. Wo ich meinen Blick hinrichte, sehe ich Gesichter, die mich nicht anderst denken lassen, als jedermann habe sich bey dem Nektar, dem es die Homerischen Götter bey ihrem Gelache gewiß an dem Safte des die Traurigkeit verbannten Ochsenzungenkrautes nicht fehlen lassen, in die beste Laune getrunken: und vorhin sah jeder so finster und grämlich aus, als ob er geradesweges aus einer Eremitenzelle zurückkomme. Wie wenn die Sonne am frühen Morgen ihr goldschönes Antlitz der Erde zuwendet; wie wenn nach dem rauhen Winter der neue Frühling mit seinem belebenden Hauche kommt: jugendlich glänzt das Antlitz der ganzen Natur; Farbe, Anzug, alles hat sich verjüngt: also, meine Herren, hat sich auch auf ihren Angesichtern, sobald sie einen Blick auf mich gerichtet hatten, alles geändert. Große Redner! schwarze Sorgen wollt ihr aus den Herzen der Zu