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Pfarre und Schule. Erster Band.

Friedrich Gerstäcker

Friedrich Gerstäcker

Pfarre und Schule. Erster Band. Eine Dorfgeschichte

Vorwort

Wenn der Leser auf kurze Zeit Lust hat mir zu folgen, so will ich ihn auf ein ganz nahe liegendes und ihm doch vielleicht vollkommen fremdes Terrain führen – mag er dann aber nicht zürnen, wenn er die Gestalten, die er sich vielleicht idealisirt gedacht, nicht auch idealisirt wieder findet. Rechts und links habe ich in das Leben hineingegriffen und hingestellt was und wie ich es fand – wir Menschen sind nun einmal keine Ideale, und selbst aus dem Romane müssen diese verschwinden, wenn er der Wirklichkeit gehören soll.

Auch kein vollendetes Ganzes war ich im Stande ihm zu bieten – diese Blätter haben Deutschland zum Schauplatz, und spielen in der Jetztzeit – könnte der Leser da ein vollendetes Ganzes auch nur verlangen? Gewiß nicht, wenn er Wahrheit dabei haben will.

Ich bin aber kein Freund von langen Vorreden, die Einleitung mag daher den Leser auf den Schauplatz vorbereiten, und das Buch selbst ihm sagen, was er zu erwarten hat. Ich habe geschrieben, wie mir's aus dem Herzen kam – möge er es in dem Sinne nehmen und verstehn.

В В В В Der Verfasser.

Erstes Kapitel.

Einleitung

Der Frühling des Jahres 1848 war gar außergewöhnlich früh und mild durch die starren, kalttrüben Winterwolken hereingebrochen, und hatte Felder und Fluren zu einer Zeit mit Grün bekleidet, wo diese sonst noch gewöhnlich unter bergender Schneedecke gleich sicher gegen bittere Nachtfröste wie eisige Nordweste geschützt lagen. Der Thau reinigte selbst die Gebirgsschluchten, in denen bei anhaltenderen Wintern manchmal wohl bis Anfang Mai frostige und schmutzig braune Schneeschichten gelegen, von jedem Nachzügler nordischen Herrscherthums, und Schneeglöckchen und Primeln küßten sich im Thal, und weinten perlende Freudenthränen, als die Lerche über ihren Häuptern emporstieg und dem sonnigen Himmelsblau ihre schmetternden Jubellieder entgegen wirbelte.

Aus dem Süden kam der ernste Storch und eilte mit raschem und immer rascherem Flügelschlag der Stelle zu, wo er im vorigen Jahre sein Nest gebaut und der jungen Brut das Fliegen gelehrt, und die Staare strichen von allen Seiten herbei, erzählten sich die bestandenen Abenteuer, die überstandenen Gefahren und Beschwerden, und schwatzten und zwitscherten und flatterten und schwirrten, daß die Sperlinge auf den Dächern ganz eifersüchtig wurden, und der ernste Rabe, der oben in der am Weiher stehenden Fichte saß, erst eine lange Weile mit dem Kopfe schüttelte, rechts und links hinunterschaute auf die lärmende Schaar, und dann mit langsam scharfem Flügelschlag dem stilleren Felde zustrebte, wo er mit den Brüdern gravitätisch hinter dem einsamen Pfluge herschritt, und sich aufmerksam die frischgewühlten Furchen betrachtete, was sie ihm neues und wohlschmeckendes zum Mahle böten.

Draußen im Raps lockte mit dem wehmüthigen Rufe das Rebhuhn; über die Raine und Feldflächen jagten sich spielend die Hasen; der Finke sang seine schmelzenden Melodieen im keimenden Wald; Huhn und Taube scharrten sich nicht mehr die kleinen Füße auf dem harten Erdboden wund und blutig, und über die Teichwiesen und den von Felsen umdämmten Fluß strich schwirrend und blitzschnell die Wildente hin, und suchte unter den dichten Zweigen und Dornen, die den kleinen Wald umhingen, Schutz und Verborgenheit.

Aber auch die Pflanzenwelt war nicht müßig; in gewaltiger Kraft brach sich das junge quellende Leben die freie fröhliche Bahn aus dem starren Holze; überall sproßten und schossen Halme und Gräser empor, die Blüthen schwollen in farbenduftiger Fülle und Tulpe und Hyacinthe, das stille Veilchen und die schüchterne Aurikel, und vor allen anderen das neugierig muthige Leberblümchen, das sich mit seinen herzig rothen Lippen oft schon Bahn selbst durch die Schneedecke bricht, erschlossen die würzigen Kelche und sandten Weihrauchopfer zu der freundlich über sie hingebeugten heiligen Pfirsichblüthe empor.

Und der Mensch?

Im Norden und